avant / garde / under / net / conditions (vormals: perspektive | issue 43 | 2002 )

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interview

[/] interview (deutsch)
[/] interview (english)

source

[/] Reflections on Cyberpoetry



- - - - - - - -< data holders >- - - - - - - - |
> talan memmott - [USA]
> MEZ - [australia]
> netochka nezvanova - [www]
> brian kim stefans - [USA]
> YOUNG-HAE CHANG HEAVY INDUSTRIES - [south korea]
| - - -< brian kim stefans >- - - |


/->/ reptilian neolettrist graphics // flashartist && letternist // herausgeber und editor von arrast.net // run the poem and r...


>> flash is an extension of typography
>> / interview /
[question-1] :v: [question-2] :v: [question-3]


> [question-1//perspektive]
eric kluitenberg definiert als eine aufgabe für die heutige avantgarde, den hegemonialen code der gesellschaft zu erschüttern: die oberfläche zu zerstören. sie arbeiten entlang einer dünnen "flash"-linie, verstören worte und buchstaben im netzraum. ist flash oder animations-poesie ein weg, um das kommerzielle netz zu unterbrechen?

>> [question-1//response]=[brian kim stefans:]

ich glaube, eine wichtige facette für netzkünstler und netzpoeten ist, sich in erster linie in den pool der onlinekonventionen zu hängen (diese haben sich ja stark aus dem kommerziellen bereich entwickelt) und okkupieren dessen sprachlichkeit und kommerziellen modus, um funktionalitäten offenzulegen oder einfach zu zeigen, wie hegemonial konventionen sind. es war lange zeit ein topos unter experimentellen autoren, dass sie an den "rändern" arbeiten; aber im web ist es schlicht unmöglich, an den "rändern" zu arbeiten, weil das web kein zentrum hat. daher sollte der digitale poet nicht "alternative" oder "oppositionelle" bedeutungsstränge, sondern eine parasitische oder ko-dependente, vielleicht auch "dialogische" (um einen begriff von bakhtin zu verwenden) beziehung, energie entwickeln zwischen dem, was als "sicher" in der kommerziellen netzwelt bezeichnet wird, und dem, was uns aus den "gesetzlosen" ecken angst macht. diese haltung entspricht dem aktuellen zustand des netzes besser, da es nicht wirklich möglich ist, sich mit den je eigenen ansprüchen im netz als "eiland" zu isolieren; bestimmte allgemeine regeln sind immer schon da, wie eine URL, ein browser usw....jede seite des webs kann teil meiner kunstseite werden - indem ich z.b. frames verwende, kann ich die newsseite der nordkoreanischen regierung, oprahs seite mit dem buch der woche und ubu.com auf der selben seite einbinden (und dann ein perl skript darüber laufen lassen, das ein gedicht aus den inhalten generiert). ich glaube, dass eine oppositionelle haltung möglich ist, aber ebenso eine "l'art pour l'art"-haltung. für mich jedoch ist das arbeiten in der digitalen webwelt dem arbeiten mit elemente wie erde und ton nicht unähnlich: ich nehme das material wahr als einen permanenten nachrichtenfluss, der nicht mein eigener ist, aber teil meiner arbeit sein könnte. was ich dann mache ist, meine ideen und bedeutungen damit in verbindung zu bringen, eine art infizieren - das webkunstwerk wird dann zu einem feedback-knotenpunkt oder zu einer loopstruktur innerhalb eines größeren programms und muss daher notwendigerweise laut/störend sein.

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> [question-2//perspektive]
für gene youngblood ist das letzte refugium des subversiven, abwesend zu sein und eine autonome zone (wie hakim beys TAZ zonen) auszubilden. sie injizieren neue visuelle stimuli mit "post"-konkreter poesie und operieren auf einem hohen technischen - und programmierlevel. ist der gebrauch von programmierung und medientechniken für sie eine möglichkeit in einer autonomen zone zu arbeiten?

>> [question-2//response]=[brian kim stefans]

aus meiner ersten antwort ist zu schliessen, dass ich nicht an "autonome zonen" im web glaube wie etwa in alten piraten zeiten (wie es hakim bey in seinen frühen büchern ausführt). aber flash, besonders die längeren, stärker ausgearbeiteten arbeiten wie "dreamlife", haben mitunter den charakter einer abgeschlossenen einheit, weil sie undurchdringbar für web-spider sind und den user zu keinerlei interaktion einladen. meine jüngste arbeit "the truth interview", die das layout der webseite des national enquirer (einer webseite mit einer menge infos über berühmtheiten, skandale etc.) verwendet, mit alle den bannerwerbungen und umfragen führt schliesslich zu einem animierten gedicht oder zu einer interaktiven poetischen maschine - sie gibt sich als "sichere zone" aus, fern von den bedrohungen durch "toxisch übergrosse cookies" (um meine werbung zu zitieren) und anderen spionierenden verkaufsautomatenrowdies.
über das hakim bey konzept habe ich oft nachgedacht und ist ja mit situationistischen theoriekonzepten wie "ontologische anarchie" und "poetischer terrorismus" (unglücklich gewählter begriff) verbunden. für ein kunstwerk im web würde das bedeuten, dass es trotz seines eher zufälligen geklicktwerdens durch den user für einen moment die gesamte aufmerksamkeit des users erhält und die werte und vorannahmen des users für diese zeitspanne aus den angeln gehoben werden könnten. beispiele dafür sind sicherlich die arbeiten von jodi.org, die auf browser- und hardwareebene agieren, und die jüngsten flash arbeiten von Young-Hae Chang Heavy Industries – ihre arbeiten lassen sich schnell downloaden, liegen in vielen sprachen vor, sind leicht zu verstehen und appellieren an den leser im graffitistil. ich weiss, dass einige der "handfesten" jokes , die im flash bereich hergestellt werden, nicht als kunst gelten. vor kurzem habe ich ein flash file gesehen mit dem namen "dengdeng", abgebildet ist ein rennwagen und ein an marinetti erinnerndes soundgedicht, das sich wie "chipmunks on acid" anhörte, und die stärken des medium mehr erfasst als die sogenannte "hohe kunst". das web ist ein offener raum für reisen, diese kleinen werke legen es darauf an, dass man dem "link folgt" - eine entscheidung, die durchaus folgen haben kann.

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> [question-3//perspektive]
die signatur ihrer arbeiten lautet "reptilian neolettrist graphics". ihre arbeiten sind eine gewisse fortsetzung von debords "poetry of the moment" und des lettristischen notationsstils als visuelle (flash) manifestation. haben sie einen konnex zu lettristischen kinematischen methoden? ist brian kim stefans ein verlorener textflaneur und ist die flash-"schönheit" das letzte noch zu brechende gesetz?

>> [question-3//response]=[brian kim stefans]

ich glaube nicht, dass ich irgendeine verbindung mit dem lettristischen kino habe - wenn sie damit die filme von debord meinen - weil ich diese nie gesehen habe. ich habe teile der "gesellschaft des spektakels" bei einem freund gesehen, aber ich habe das meiste über seine filme durch biographien gelernt. meiner ansicht nach sind seine filme - neben dem offensichtlichen situationistischen slogan "breaking down the distance between life and art" - langwierig und extrem, beide qualitäten paaren sich noch mit dem fehlen von bildern und spielen sicherlich in einigen aspekten mit einem größeren non-retinalen projekt (vergleichbar mit duchamp), bei debord wird dies aber in der zeit aufgespannt. ich denke nicht, dass ich jemand dazu bringen könnte, sich ein derart langwieriges und extremes webprojekt anzusehen, da sich jeder freiwillig im web bewegen kann, eine zigarette rauchen, irgendwas tun kann (sicherlich sind user meisthin in ihrer entscheidung allein und in diesem sinne ist das einer "situation" im lettristischen sinne vergleichbar). "flash schönheit" wäre ein nettes zu brechendes gesetz sein, sicherlich, aber es gibt eine grosse differenz zwischen flash und kino. flash kann auch nur auf action sripting basieren(eine flash eigene programmiersprache, s.e.) und jemand könnte damit eine vollständige "non-retinale" flasharbeit herstellen, sicherlich wäre das ein meisterwerk der programmierung. wenn man im kino auf bildlichkeit verzichtet, steht einem noch der sound zu verfügung; wenn man in flash auf bildlichkeit verzichtet, bleibt einem neben dem sound auch noch das scripting - ein alternativer text, der in loops, kontrollstrukturen, randomisierten elementen etc. entziffert werden kann. man kann z.b. über einen künstler sehr viel erfahren, indem man schlicht seine/ihre skripte in aktion mitliest, mehr nicht.

mein zugang zu flash und poesie mag für manchen extrem erscheinen, weil ich fast nie ein illustrierendes element in meinen arbeiten verwende - man hört niemals den regen, sieht kein bild fallender regentropfen und die zeile "er spazierte langsam an gloria denkend durch die gassen von brooklyn" wird man bei mir nicht finden. wenn ich solche dinge in arbeiten sehe, spüre ich den versuch, flash an das kino anzugleichen, was aber oft in einem info-mercial endet. und da ich illustrationen dieser art ablehne, kann ich nicht nur stark mit den skripten arbeiten, vor allem mit den buchstaben an sich - flash ist für mich eine ausdehnung der typographie. die balletartigen bewegungen in "dreamlife" sind eine ausdehnung von adobe aftereffects - schliesslich bleibt dann noch die möglichkeit, mit den aktuellen livedaten im web zu arbeiten.

da flash nie die kulturelle umgebung wie film hatte - die kraft zu manipulieren, zu überraschen, bildlich gesprochen, das leben der schauspieler in das leben der zuschauer zu "stülpen" - gibt es wenig grund, flash zu nivellieren. es spielt eine kleinere kulturelle rolle, der iconoclast mit dem willen zu zerstören nimmt sich andere kulturbereiche vor. sicherlich kann man die bildlichkeit oder auch die filmhaftigkeit in flash kritisieren, aber die "flash schönheit" an sich - ich spreche vom einsatz ausserhalb des kommerziellen webs. nach dem dot.com zusammenbruch habe ich die zwiespältige hoffnung, dass flash - ähnlich wie einst die fischerpreis pixelvision kamera - zu einem werkzeug nur für künstler wird.

[-- übersetzung aus dem englischen --]



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