avant / garde / under / net / conditions (vormals: perspektive | issue 43 | 2002 )

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interview

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/->/ Madonna Septet. Poets Press 2000 // 'THAT' GODESS. Pantograph Press 1992 // Looking for Mary Lou : Illegal Syntax. Rock Steady Press 1989


>> a constant state of rapture
>> / interview /
[question-1] :v: [question-2] :v: [question-3]


> [question-1//perspektive]
eric kluitenberg definiert als aufgabe für avantgarde heute, die hegemonialen oberflächen zu zerstören und ihren "netten" output zu de(kon)struieren. john noto beschreibt ihre texte als "signal matrizen", die den leser überladen und stark mit sprache aufgeladen sind. wollen sie den leser überhitzen und kann dichte eine form der destruktion und/oder rekonstruktion des etablierten codes sein?

>> [question-1//response]=[ivan arguelles]

meine intention im hinblick auf den leser ist, ihn nicht zu "überladen" und nicht hinsichtlich der angenommenen syntaxgrenzen zu desinformieren. sicherlich geht viel vor sich in meinen texten und mit absicht. aber zuerst geht alles von einem "verstand" aus, in diesem fall von meinem, und die mentale bewegung/beweglichkeit ist hat (ihren) eigenen diskurs. dichte ist oder kann durchaus ein notwendiges nebenprodukt dieser "geladenen" mentalen atmosphäre sein. bezüglich der sprachen (im plural) ist das ein unvermeidlicher aspekt meiner eigenen matrix. chomsky sagte (ich paraphrase hier), dass für einen ausserirdischen besucher auf der erde alle sprachen gleich sein würden! natürlich ist auch für mich jede sprache, die mir zur verfügung steht wie englisch, hindi, spanisch, griechisch etwa, keine separate einheit, sondern teil und anteil ein und derselben sprache, und so habe ich kein problem damit, sie hin und her zu werfen und sie auf einer diskursseite wieder miteinander zu verbinden. alle menschen sind "mentale" zeitgenossen, in welcher ära oder epoche sie auch immer gelebt haben. somit stehen alle in welcher historischen epoche auch immer gesprochenen sprachen dem verstand, der sie erfassen kann, zum freien spiel zu verfügung. es ist die aufgabe des lesers, aus dem text zu pflücken und auszuwählen, was sich sinnvoll referenzieren läßt. mit einem wort: ich halte meine texte für ein beispiel der de- wie auch der rekonstruktion, aber auch als erweiterung anderer texte des repetitiven diskurses (z.b. der "traditionellen" werke der poesie, die meinen texten vorausgehen wie die Illias oder die Canterbury Tales etwa).

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> [question-2//perspektive]
die neunziger - so john noto - sind eine zeit des schreibens und des umbruchs. den code zu zerstören meint oft, mit seinem eigenen sprachraum zu arbeiten - einer art virtuellen sprache, vielleicht mit hakim beys "chaos linguistik" vergleichbar. ihre arbeiten scheinen wie ein kompliment an solche "illegalen syntax"-operationen. sind sie ein syntax pirat? :)

>> [question-2//response]=[ivan arguelles]

"chaos linguistik" - ein interessanter ausdruck. ich halte meine arbeit für eine form (falls das kein widerspruch in sich ist) des chaos. ich meinte einmal zu einer bekannten, die in einer geringschätzigen art und weise die arbeit eines zeitgenossen einschätzte, kommentierend, wie zweitrangig und unverständlich sie doch gegenüber meiner arbeit sei,, dass ich mein chaos VERSTEHE, d.h. ich verstehe, dass es chaos ist, was ich beim "schreiben" produziere. ich weiss nicht genau, was ein syntaxpirat sein soll, aber ich weiss, als ich mein grosses 2 bändiges gedicht "MADONNA SEPTET" in angriff genommen haben, war ich mir über das brechen der syntax sehr bewußt. ich wollte die konventionelle englische syntax zerstören und im gleichen moment einen text erstellen, der das textkontinuum der wiederkehrenden diskurse respektiert. was den umbruch betrifft, befindet sich die sprache, die ich verwende, in einem permanenten umbruch. sie ist nicht die simulation einer verrücktheit, jedoch ein prozess der gewissen orgiastischen verrücktheit ist sicherlich am werk.



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> [question-3//perspektive]
meisthin wird ihre arbeit mit dem surrealismus und seiner "seelen geographie" verglichen und verbunden. wie sieht ihre verbindung zum "(neo-)surrealismus" aus? sind sie der letzte (situationistische) flaneur in den residuen der sprachpassagen?

>> [question-3//response]=[ivan arguelles]

ja - meine arbeit wurde tatsächlich als starke verkörperung eines "verrückteren, dunkleren und mystischeren surrealismus" [a. codrescu] angesehen. mein surrealismus leitet sich aber eher von den spanischen dichtern wie vallejo und lorca ab, deren inhalte sich durch profunde emotionale werte auszeichnen als von den formaleren, dogmatischen, französischen dichtern wie breton. um 1990 habe ich aufgehört, gedichte als solche zu schreiben und somit auch, mich selbst als "surrealist" zu bezeichnen. mit der veröffentlichung meines pseudo-vergilhaften epos "'THAT' GODDESS" habe ich mich auf den weg gemacht, der direkt zu "MADONNA SEPTET" führt. ich war beunruhigt, wie sehr mein "schreiben" die manifestation meines mentalen zustands war, obsessiv in jedem fall. ich hatte mehr oder weniger bewusst das beispiel der späten arbeiten von hölderlin vor augen, den ich für den ersten wirklich modernen dichter halte, besonders aufgrund seines verzichts auf traditionelle poetiken und seiner abrupten syntaktischen brüche, möglicherweise sind diese wirklich nur manifestationen seiner sogenannten geistigen "krankheit". ich glaube nicht, dass ich irgendeine nähe zum "(neo-)surrealismus" habe, um nicht zu sagen, dass ich gar nicht weiss, wofür der begriff steht. ich sollte abschliessend noch betonen, dass ich mich selbst irgendwie für naiv-primitiv halte - ein gänzlich intuitiver künstler. ich lese heutzutage nicht mehr viel poesie, besonders keine zeitgenoessische. aber ich weiss, dass das, was ich in der vergangenheit gelesen habe - all diese texte der wiederkehrenden diskurse - mir als enormes und unangreifbares nostalgisches gepäck solange erhalten bleiben wird, bis ich sterbe.

[- übertragung aus dem englischen -]



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